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Digitales Zeitalter – Wieviel kritisches Denken brauchen wir, damit wir uns nicht in die Irre führen lassen?

Heute kommt das Wissen auch zu uns, ohne dass wir danach suchen. Es wird uns unter anderem unterschwellig von den sozialen Medien angeboten. Algorithmen analysieren unser Online-Verhalten und schlagen uns Content vor, der zu unserer Geisteshaltung passt.

PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlichte 2016 eine Studie, in der die Interaktionen von 376 Millionen Facebook-Nutzern mit über 900 Nachrichtenkanälen analysiert wurden. Diese Studie ergab, dass Menschen dazu neigen, nach Informationen zu suchen, die mit ihren Ansichten übereinstimmen. Wo bleibt dabei unser kritisches Denken? Werden wir in Zukunft immer narzistischer und nur noch das lesen, was uns gefällt und unsere Meinung bestätigt?

«Wie viel kritisches Denken benötigen wir, damit wir aus einer Flut von Wissen, das jeden Tag auf uns einströmt, das richtige Wissen herauskristallisieren können?»

Wir sprechen heute mit Johannes Baldauf, Soziologe, Lernpsychologe und Akademieleiter der New Work Akademie Basel über den Wert von Wissen und die Wichtigkeit des kritischen Denkens.

Johannes Baldauf beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Bildungsbranche, moderner Didaktik und dem betrieblichen Learning & Development. Als Lernpsychologe, Berater für Bildungseinrichtungen, sowie Entwickler moderner Lehrkonzepte, setzt sich Johannes für nachhaltige Lösungen ein. Sein Motto ist;

«Bildung ist und bleibt ein gesellschaftlicher Auftrag. Sowohl Gesellschaft & Wirtschaft, als auch die Lernenden müssen als Kunden mit konkreten Bedürfnissen betrachtet werden.»

Johannes, der Zugang zu Wissen ist heute so einfach wie nie zuvor. Was sind deiner Meinung nach, die grössten Gefahren und wie können wir diesen entgegenwirken?

Wenn wir vom «leichten Zugang zu Wissen» reden, sprechen wir eigentlich vom Internet. Gefahren erkenne ich dort zum einen in der einseitigen unvollständigen Betrachtung der Daten, Informationen und somit des Wissens. 

«Wenn ich in Google oder YouTube nach einem konkreten Thema suche, dann erhalte ich in der Regel keine komplexe wissenschaftlichen Publikation oder entsprechende Primärliteratur, sondern kurze und knappe Zusammenfassungen, Meinungsbilder oder verkäuferische Darstellungen.»

Eben einfache Kost, wenig komplex und einseitig. Von der substantiellen Qualität der Information ganz zu schweigen.

Das ist ja auch logisch. In unserer Aufmerksamkeitsökonomie und beim täglichen Informations-Overload, sind leichte, unkritische, eingängige und simple Informationen viel attraktiver für die Nutzer. Zumal es natürlich auch so ist, dass die Wissensflut in der digitalen Welt ganz klar einen ökonomischen Nutzen erfüllen soll. Zumindest das «leicht zugängliche» und kostenfreie Wissen. 

Eine weitere Gefahr erkenne ich im Konsum selbst. Wenn wir – augenscheinlich – so leicht an Wissen und Informationen kommen, besteht kaum mehr Notwendigkeit sich Wissen langfristig anzueignen, ferner all diese Informationen zu speichern. Für das Gehirn ist das anstrengend und kostet viel Energie. Per se mag das zunächst ja nicht schlimm erscheinen, da wir Menschen immer schon unsere Werkzeuge und Methoden entwickelten. 

«Wir laufen aber Gefahr durch den digitalen Konsum, die Motivation am Forschen und Entdecken zu verlernen. Auch riskieren wir zu vergessen, wie wir verschiedene Informationen abstrahieren, verknüpfen und daraus neue Erkenntnisse gewinnen können.»

Unser Gehirn gewöhnt sich schlichtweg an die neue Bequemlichkeit. Und wir verlernen das Lernen und Forschen und ebenso das kritische Auseinandersetzen mit Informationen. 

Das klingt beängstigend. Was ist die Aufgabe der Schulen, Universitäten und Weiterbildungsinstitute, damit Wissen heute erfolgreich und vertieft vermittelt werden kann?

Ich denke die Bildungseinrichtungen der Moderne, müssen dem vorhin geschilderten entgegenwirken. Es geht nun also nicht mehr unbedingt darum, möglichst viel Wissen in das Gehirn der Lernenden zu stopfen. Im Grunde haben die Bildungseinrichtungen drei grosse Aufträge:

1. Qualitätssicherung: Lehrpersonen und Qualitätsstandards müssen dafür Sorge tragen, substantiell hochwertige Daten, Informationen und somit Wissen bereit zu stellen.

2. Lernmotivation schaffen: Durch moderne didaktische Methoden und Herangehensweisen – wie z.B. die didaktische Reduktion – gilt es, die Lernmotivation zu fördern. Lernen und Wissenserwerb muss Spass machen und nicht nur zweckmässig sein. Es geht darum die «kindlichen Forscher und Entdecker» in uns wieder zu erwecken.

3. Kritisches Denken fördern: Bildungseinrichtungen müssen Diversitäten in Meinung, Methodik und Perspektive zulassen und fördern. 

«Die Lernenden sollen sich bewusst mit Kontroversen auseinandersetzen und sich daran die Zähne ausbeissen. Wir müssen dabei vor allem einen Umgang finden, wie wir mit anderen Meinungen, Weltbildern und Perspektiven hantieren.»

Das können wir übrigens nur, wenn wir dies üben und uns von der Bequemlichkeit verabschieden Informationen unreflektiert aufzusaugen. 

Was empfiehlst du deinen Studenten konkret, wenn sie sich vertieft über ein Thema auseinandersetzen und nach Wissen suchen müssen? 

1. Die Studenten sollen zuerst mit den Aspekten beginnen, zu denen sie den meisten Bezug haben, respektiv, was sie interessiert. Es geht hier darum, gleich zu Beginn die Lernmotivation zu steigern. Was uns interessiert, treibt uns an. Unterhaltsame Videos und soziale Interaktionen helfen uns da auch bei den trockensten Themen weiter.  

2. Bewusst nach Kontroversen, kritische Perspektiven und anderen Meinungen suchen. Vor allem dann, wenn wir der Meinung sein, dass wir bereits alles wissen und das Thema geklärt sei. 

«Wir füttern unser Gehirn also bewusst mit Kontroversen, um dann durch Eigenleistung die goldene Mitte zu finden. Wir bemühen also stark reflexive Prozesse in unserem Gehirn.»

3. Raus in die Natur und in aller Ruhe reflektieren. Ein einsamer Spaziergang – also das Gespräch mit sich selbst bewirkt oft Wunder. Fern vom Informations-Overload haben wir nun Kapazitäten, damit wir uns mit den Kontroversen und verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen können. Die grosse Suche nach der Wahrheit beginnt.

Das Entscheidende ist, dass wir dadurch beginnen eigene Meinungen und Perspektiven zu bilden. Dadurch verankern sich Informationen und es bildet sich Wissen und ein tieferes Verständnis. Diese Prozesse münden in persönliche Erfolge, «Aha-Momente» und werden mit Glückshormonen belohnt, um uns weiter zu motivieren. 

Heute kommt das Wissen auch zu uns, ohne dass wir danach suchen. Es wird uns unter anderem unterschwellig von den Sozialen Medien angeboten. Werden wir in Zukunft nur noch das lesen oder hören, was uns gefällt?

Ich denke, dass wir zum einen Inhalte und Informationen aus unserer Lieblingsthemenwelt vorgespielt bekommen und zum anderen Inhalte, welche unser Meinungsbild bestätigen. Also wiederrum alles andere als die Förderung von kritischem Denken. 

Wie sieht es mit kritischem Denken aus? Können wir uns das antrainieren?

Ja. Wir finden mit dem Training sogar Gefallen daran. In dem wir bewusst hergehen und Meinungen, sowie Informationen hinterfragen und uns bewusst mit der Kontroverse auseinandersetzen, fordern wir unser Gehirn und unsere Kognition. Das Ergebnis ist stets ein eigenes und verändertes Meinungsbild, was mit Dopamin belohnt wird. Ein Antriebs- & Motivationshormon, was uns dazu bewegt, dies immer wieder zu tun.

Das Zukunftsinstitut hat Wissenskultur als einen Megatrend erwähnt. Was bedeutet das für die Gesellschaft? 

Grundsätzlich ist dies ja eine coole Sache. Wissen ist für alle zugänglich und das Lifelong Learning wird zum modischen Schick – es möchte ja niemand auf der Strecke bleiben im stetigen Run nach Know-how und Kompetenz. Der Trend bewegt uns dazu, nach mehr Wissen zu streben und uns stets weiterzubilden, ergo weiterzuentwickeln. Nicht selten wird dies sogar mit der individuellen Persönlichkeitsentwicklung gleichgesetzt. 

Aber auch hier muss gesagt sein, diese Kultur und der individuelle Umgang mit Informationen und der Wissenserwerb bedarf einer ordentlichen Portion Eigenverantwortlichkeit und Reflexionsfähigkeit. Es braucht also einen mündigen Umgang damit. 

Mit der exponentiellen Digitalisierung sinkt die Halbwertszeit von Wissen. Das heisst, unser Wissen veraltet schneller. Was empfiehlst du, damit wir am Ball bleiben?

Als Individuum schier unmöglich. Selbst in der Hirnforschung werden täglich neue Publikationen ins Netz gestellt und neue Erkenntnisse gewonnen, dass die Forscher am anderen Ende der Welt aufgrund der Informationsflut nicht mehr mitkommen und alles im “Overload” untergeht. Als Privatperson fällt es einem da umso schwerer, Anschluss zu finden, es sein denn wir investieren täglich fünf bis acht Stunden mit Trendforschung. Gute Programmentwickler moderner Bildungseinrichtungen tun genau dies hauptberuflich. 

«Und genau da kommen professionelle Bildungsanbieter ins Spiel. Diese haben die grosse Aufgabe – Tag ein Tag aus – sich mit den Bedürfnissen der Zukunft auseinanderzusetzen. Aus diesen Bedarfen der Gesellschaft, der Wirtschaft und den Menschen innerhalb dieser, ergeben sich Kompetenzen und Wissen welche benötigt werden. Und daraus ergibt sich dann die Motivation zur Forschung, Wissens- & Informationsaufbereitung.»

Um es also auf den Punkt zu bringen: Lernende, Unternehmen und alle, die am Ball bleiben möchten, orientieren sich am besten an innovativen und modernen Bildungseinrichtungen. 

Johannes und seine New Work Akademie Basel, arbeiten mit Evrlearn zusammen. Möchtest du dir seine Lernangebote näher anschauen?

Hier geht es zum Lernangebot der New Work Akademie.